Berlin, Berlin - wir fahren nach Berlin
Ganz nach diesem Motto starteten an einem Montagmorgen um 5.30 Uhr ca. 80 verschlafene Schüler und fünf Lehrer in die Landeshauptstadt. Nach ungefähr neun Stunden schlaftrunkener Fahrt erreichten wir dann endlich Berlin und wurden in unserem Hostel in der Nähe des Kudamms freundlich auf „Berlinerisch“ empfangen. Und dann hieß es auch gleich: Betten beziehen, umziehen und ab in die Stadt. Mit der U-Bahn fuhren wir zunächst zur vielgerühmten „East Side Gallery“ – dem längsten erhalten und von internationalen Künstlern gestalteten Mauerabschnitt – und ließen den Abend am Alexanderplatz ausklingen. Der „Alex“ diente die ganze Woche über als Treffpunkt, da er leicht zu finden und von überall bequem zu erreichen war. Zudem gibt es dort allerlei zu sehen und er ist immer belebt, sodass man sich nie wirklich alleine fühlte in dieser doch sehr großen Stadt.
Nachdem wir uns in Kleingruppen von fünf Leuten aufgeteilt hatten, zogen wir los, um die Gegend um den Alexanderplatz herum zu erkunden und eine Kleinigkeit zu essen. Einige von uns genossenen das Abendrot und die Stadt bei Nacht von der Aussichtsplattform des Fernsehturms aus, andere zogen einfach durch die Straßen und ließen sich vom Berliner Abendflair berieseln. Anschließend kehrten wir gemeinsam zum Hostel zurück und fielen todmüde in unsere Betten.
Den zweiten Tag starteten wir mit wunderschönem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen, was umso erfreulicher war, da es in Sonthofen regnete und einmal sogar schneite. Direkt nach dem Frühstück brachen wir zum Potsdamer Platz auf und teilten uns dort in zwei Gruppen auf, um entweder das Verteidigungsministerium oder den Bundesrat zu besichtigen. Im Bundesrat bekamen wir zunächst eine Einführung in die Architektur und Geschichte des Gebäudes. Danach besichtigten wir den Plenarsaal und setzten uns anschließend kurz auf die Plätze der öffentlichen Zuhörer, von wo aus uns erklärt wurde, wie eine solche Bundesratssitzung abläuft und wer alles daran beteiligt ist. Um dieses Wissen zu vertiefen und nachempfinden zu können, wurden wir selbst zu Politikern, und nahmen an einem vorbereiteten Planspiel zur Erörterung eines Bundestagsgesetzentschlusses teil. So schlüpften wir Grüppchenweise in die Rolle der einzelnen Landesvertretungen und diskutierten hitzig über das Herabsetzen des Mindestalters für die Führerscheinprüfung für Jugendliche. Aufgeklärt über die Gesetzfindung unseres Landes machten wir uns auf den Weg zurück ins Hostel und hübschten uns für das anstehende Abendprogramm auf. So schick wie wir waren, brachen wir zum zweiten Mal auf, allerdings nicht gleich in die Theater, sondern machten einen weiteren Zwischenstopp am Reichstag. Nach strengen Sicherheitskontrollen, die wir bislang nur von Flughäfen kannten, wurden wir eingelassen und durften die neue Reichstagskuppel besichtigen. Beeindruckt standen wir in der riesigen Glaskuppel und staunten über die raffinierte Konstruktion und Technik, von der wir zuvor schon so vieles gehört hatten. Bestaunt wurden aber auch wir in unserer Abendgarderobe, denn wir boten schließlich nicht den üblichen Anblick von Touristen. Aber knapp eine Stunde später fühlten wir uns nicht mehr overdressed, da wir nun entweder im Musical „Tanz der Vampire“, im Varieté „YMA“ im Friedrichstadtpalast oder im Kabarett mit Hans Werner Olm angekommen waren. Und so endete auch dieser Tag und machte Platz für den nächsten.
Am Mittwochvormittag stand eine Stadtrundfahrt auf dem Plan. Im Bus fuhren wir an den wichtigsten Gebäuden und Vierteln der Stadt vorbei, den Kuhdamm entlang und passierten den ´Checkpoint Charlie´. Hier wurde uns erst richtig klar, wie groß unsere schöne Hauptstadt doch ist.
Danach ging es gleich weiter zum ehemaligen Stasi-Gefängnis „Hohenschönhausen“. Dort erfuhren wir von Zeitzeugen, die selbst hier inhaftiert waren, aus erster Hand näheres über die Zeit des Stasi-Regimes und natürlich über das Gefängnis selbst und die Methoden, die angewendet wurden, um politische Gegner der DDR zum Reden zu bringen. Zur Zeit ihrer Inhaftierung waren sie kaum älter als wir und mussten mit der Situation im Gefängnis völlig überfordert gewesen sein. Schockiert über die Vergangenheit Deutschlands, fuhren wir zu unserem nächsten Ziel: dem jüdischen Museum. Dort erarbeiteten wir, geführt in Gruppen aufgeteilt, je einen anderen Abschnitt der jüdischen Vergangenheit in Deutschland. Dank umfassender Behandlung dieser Thematik in den letzten Unterrichtsjahren war diese für uns nicht mehr ganz unbekannt und wir erhielten mal einen anderen - lebensnaheren - Blick auf dieses sehr prekäre Thema, das wir bislang hauptsächlich nur aus Lehrbüchern kannten.
Genauso hautnah ging es auch am Donnerstag weiter, als der Besuch der Dauerausstellung „Story of Berlin“ anstand. Diese setzt im Sinne moderner Museumspädagogik auf das Erleben von Geschichte anstatt reiner Information durch Schautafeln. Darüber hinaus hatten wir die exklusive Gelegenheit, einen alten Atombunker von innen zu besichtigen, der uns einen recht deutlichen Eindruck der Folgen eines atomaren Krieges vermittelte. Gebaut wurde dieser während der Zeit des Kalten Krieges, der einen kleinen Teil der Berliner Bevölkerung für etwa 14 Tage beherbergen hätte können. Nach diesen wahnsinnig vielen Eindrücken, die auch sehr emotional waren, hatten wir den Nachmittag frei und konnten die Stadt nun auf eigene Faust weiter erkunden. Ausgestattet mit einer Menge U-Bahntickets durften wir uns in Kleingruppen in der Stadt bewegen und auch die touristenfernen Fleckchen erforschen. Getroffen hat man sich dann erst am Abend wieder, um im Klassenverband die multikulturelle Seite Berlins zu „erschmecken“. Ob Indisches oder Mexikanisches Essen, wir merkten schnell, dass diese Stadt mehr als deutsche Geschichte zu bieten hat. So vollgefuttert wie wir waren, machten wir zum Abschied noch einen Abstecher zum Brandenburger Tor und liefen am Denkmal für die ermordeten Juden Europas vorbei, das im schwachen Licht der Laternen noch bedrückender als bei Tage wirkte.
Am Freitagmorgen hieß es dann früh aus den Federn, denn der Tag der Abreise war gekommen. Vorbildlich - möchten wir behaupten - hinterließen wir unsere leergeräumten Zimmer und brachten unser Gepäck zum Bus, der bereits auf der anderen Straßenseite auf uns wartete. Zwar freuten wir uns auf unser kleines, sauberes Sonthofen, dennoch waren wir auch ein wenig traurig und wären gern noch etwas länger geblieben. Die Woche schien viel zu kurz gewesen zu sein, um diese Stadt in ihrer Vielfalt erleben zu können. Wir hatten gelernt, dass Berlin nicht nur eine Stadt mit einer historisch bedeutenden Geschichte, sondern auch ein Paradies florierenden Lebens in unserem Land ist, und wir wünschen den nachfolgenden Klassen ebenso viel Spaß dabei, diesen Teil lebendiger Geschichte für sich zu entdecken.