Kia ora aus Neuseeland
Kia ora (Hallo). Ich bin Lilli und seit knapp drei Monaten in Richmond, Neuseeland. Ich lebe mit meiner Gastmom, unserem Hund Piper und einer meiner drei Gastschwestern in einem kleinen Haus im Norden der Südinsel. Mittlerweile habe ich mich sehr gut eingelebt und bin ganz mit meinem neuen Alltag beschäftigt.
Doch fangen wir ganz von vorne an. Ich habe mich schon im Frühling letzten Jahres bei meiner Organisation Aifs beworben und konnte mir schon kurz darauf eine Schule und dementsprechend auch meine Region aussuchen. Danach hieß es nur noch viele Dokumente auszufüllen, das Visum zu beantragen und am Kennenlerntag in Bonn teilzunehmen. Dort konnte ich viele nette andere Schüler und Schülerinnen kennengelernt, die ebenfalls ein halbes oder sogar ganzes Jahr in Neuseeland oder Australien verbringen. Außerdem hatten wir die Möglichkeit von alten Austauschschülern etwas über den typischen Alltag, mögliche Schwierigkeiten aber auch bevorstehende Erlebnisse zu erfahren.
Nach langem Warten war der Tag des Abfluges Ende Januar endlich gekommen und ich bin mit ungefähr 40 anderen Jugendlichen von Frankfurt nach Sydney zu unseren Orientation Days geflogen. Der Flug war wahrscheinlich eins der schlimmsten Erlebnisse in meinem Auslandsjahr, da ich definitiv nicht für 20 Stunden reine Flugzeit gemacht bin, dafür verbrachten wir danach aber vier wundervolle Tage in Sydney und konnten uns direkt an den Sommer und die Zeitverschiebung gewöhnen.
Dann hieß es leider schon wieder Abschied nehmen von allen neuen Freunden und ich flog allein zu meiner Gastfamilie. Obwohl ich erst um 10 Uhr abends landete, wurde ich herzlich empfangen und fühlte mich direkt wohl. In den darauffolgenden Tagen zeigte mir meine Gastfamilie die Umgebung und ich verliebte mich sofort in das Leben zwischen den Bergen und dem Meer.
Der Schulstart war viel einfacher als gedacht und ich habe schnell neue Freunde gefunden, sowohl andere Austauschschüler als auch Kiwis. Ich gehe hier auf das Waimea College und bin in der 12. Klasse. Die Schule fängt meistens um 9 Uhr an und endet um 15:10 Uhr. Man hat jeden Tag fünf Stunden Unterricht und belegt insgesamt sechs Fächer, welche man sich aus über 30 verschiedenen aussuchen kann. Es gibt unter anderem Nähen, Theater oder Holzarbeit zur Auswahl. Ich selbst belege natürlich Mathe und Englisch und zusätzlich Kochen, Geografie, Tourismus und Health & Physical Education, eine Mischung aus Sporttheorie und -praxis.
Der Schultag im Allgemeinen ist deutlich entspannter als in Deutschland, da es keine Ausfragen oder Exen gibt und auch die meisten Tests open-book Tests sind, was bedeutet, dass wir ein Arbeitsheft oder eine selbstgeschriebene Formelsammlung nutzen dürfen. Außerdem wird hier der Schulzusammenhalt und die Leitpunkte Akoranga (Lernen), Manaakitanga (Fürsorge) und Whanaungatanga (Zusammengehören) deutlich ernster genommen. Jeder Schüler ist in einem Haus untergebracht, ein bisschen so wie bei Harry Potter, und es gibt jede Woche ein Treffen der ganzen Schule bei dem Neuigkeiten, Aktivitäten und Ergebnisse der Sportteams präsentiert werden. Mein Haus heißt Ngata und hat die Farbe Lila. Einmal im Term (ein Jahr besteht aus 4 Terms) gibt es ein großes Haus-Event. Dabei verbringt man einen ganzen Tag nur mit seinem Haus, zieht sich in den passenden Farben an und schminkt sich. Diesen Term hatten wir House-Day was bedeutet, dass alle Häuser Wettbewerbe gegeneinander veranstaltet. Wir haben u.a. Theater gespielt, Karaoke auf der Bühne gesungen, sind im Pool geschwommen und hatten an allem ganz viel Spaß.
Nach der Schule gehe ich oft mit Freunden in die Mall oder wir treffen uns bei jemandem zu Hause und kochen oder backen deutsche Gerichte für unsere Gastfamilie. Deutsches Essen schmeckt deutlich besser, wenn man es auf der anderen Seite der Welt kocht :). Abends machen die meisten Sport in einem Team oder gehen ins Gym. Es gibt sehr viele Angebote, sowohl in der Schule als auch außerhalb, und man kann eigentlich fast alles einfach mal ausprobieren oder auch nur für einen Term daran teilnehmen. Ich mache hier Boxen und Volleyball, was beides für mich komplett neu war, aber trotzdem wurde ich herzlich aufgenommen und habe viel Spaß dabei.
Da es so gut wie keine Hausaufgaben gibt und wir auch nichts lernen müssen, habe ich am Wochenende immer viel Zeit, um etwas zu unternehmen. Ich gehe meistens wandern oder zum Strand. Außerdem gibt es ein buntes Programm an öffentlichen Veranstaltungen. Zum Beispiel Themenmärkte, Theater oder Open Air Kino.
Die bevorstehenden Ferien werde ich wie ein typischer Kiwi verbringen und eine Woche im Abel-Tasman-Nationalpark campen, wandern und Kajak fahren. Viele Neuseeländer verbringen ihre Zeit gerne draußen, was bei der außergewöhnlichen Natur - eine Mischung aus Europa und tropischem Regenwald - auch kein Wunder ist.
Ich habe hier ein völlig neues Leben angefangen und bin sehr dankbar dafür. Ich habe viele neue Freunde, Hobbys und Interessen gefunden und bin über mich hinausgewachsen. Es gibt immer wieder mal schwierige Situationen oder Entscheidungen und schlechte Tage, aber die positiven Erlebnisse und Eindrücke überwiegen deutlich.
Ich kann jedem, der auch überlegt ins Ausland zu gehen, dies nur ans Herz legen. Man knüpft neue Freundschaften, findet neue Interessen und lebt in einer ganz anderen Kultur.
Ich freue mich schon auf die noch bevorstehenden drei Monate und werde Neuseeland danach definitiv vermissen.
Ngā mihi nui,
Lilli