Alice im Wunderland
Kulturevent am Gymnasium: „Alice im Wunderland" bezaubert Publikum
Die drei Aufführungen des szenischen Song-Spiels „Alice im Wunderland" des Kulturensembles zur 40-Jahr-Feier des Gymnasiums am 16.,17. und 18. Juli 2014 im Haus Oberallgäu wurden zu einem Überraschungserfolg. Publikum und Presse waren gleichermaßen begeistert von dem Multi-Media-Spektakel, der starken Spielleistung der 50-köpfigen Schauspieltruppe aus Schülern und Lehrern und den passgenau zugeschnittenen Tanzeinlagen zu den mitreißenden Songs der Wonderland-Band...
„Alice im Wunderland" – großes Theater zur 40-Jahr–Feier des Gymnasiums
In der Tradition der Schultheater-Events zu den runden Gymi-Geburtstagen („Mitsommernachtstraum" 1999, „Romeo und Julia" 2004 und „Kick me, Kate!" 2009) hieß es am 16., 17. und 18. Juli 2014 zum 40-jährigen Jubiläum unserer Schule wieder einmal „Vorhang auf!" für großes Theater. Diesmal war die Bühne allerdings die im Haus Oberallgäu, und statt Shakespeare gab es eine Adaption von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland" - wie immer Theater, Musik und Tanz auf eine ganz eigene Weise miteinander vereinigend, ohne je ins Musical abzugleiten. Dass die Wahl auf den Kinderklassiker fiel, hatte nicht nur mit dem zeitlosen Charme der Erzählung, die durch ihre putzigen Dialoge und ihren hintergründigen Witz seit 150 Jahren Jung und Alt in Bann schlägt, zu tun, sondern auch mit dem Umstand, dass sich in der diesjährigen Theatergruppe unter den über 50 Aktiven aus den Klassen 5 – 11 nur zwei Jungs fanden und uns damit die männlichen „Helden" für die Umsetzung eines klassischen Dramas fehlten. Die Figuren Wunderlands - von den Blumenmädchen über die Katzen und Bäume bis hin zur Garde der Schwarzen Königin und dem Elfenstaat der Weißen Königin - kann man sich zum Glück überwiegend auch weiblich vorstellen. Nur für die männlichen Schauspieler in der Ritter- bzw. Hutmacherszene mussten wir auf einen innerschulischen „Kulturimport" in Form von Lehrkräften setzen – ein Kunstgriff, den uns das Publikum angesichts des enormen Unterhaltungswerts und Schauspieltalents der Truppe allerdings gern verzieh. Die Komponisten und Band-Mitglieder Ernst Heckel als Freiherr von Laubenstein und Thomas Schmidt als Graf von Montfort gaben in der Eröffnungsszene mit Bravour zwei abgehalfterte Bänkelspieler ab. Bruno Kuen als Hutmacher, Franz Graßl als Märzhase, Michael Köpf als Haselmaus sowie Uwe Kalchreuter und Florian Bartl (der auch in der Rolle des Bänderschnapps glänzte) überboten sich jeden Abend gegenseitig aufs Neue mit skurrilem Spielwitz und grotesken Slapstick-Einlagen, so dass sie sich mit einer rasch wachsenden Fangemeinde speziell bei dem jüngeren Publikum konfrontiert sahen.
Unter den Schülern bestachen zunächst einmal die beiden Besetzungen der Alice durch Textsicherheit, intensives und facettenreiches Spiel. Beide loteten auf unterschiedliche Weise die Tiefendimension der Titelfigur aus - Lena Hillmeier als eher vernunftgesteuerte, burschikose und (auch gesanglich) souverän agierende Heldin, Johanna Buhl mehr als zartbesaitetes und gefühlsgeleitetes, dabei aber auch herzerfrischend unbekümmertes Alice-Mädchen. Und beide trugen die Hauptlast der Verantwortung als die in jeder Szene tonangebende Figur mit einer verblüffenden Professionalität. Chapeau für diese herausragende Leistung!
In den weiteren Hauptrollen beeindruckten die beiden Verkörperungen der Schwarzen Königin Asgar durch eine starke theatralische und gesangliche Performance. Paula Volz bzw. Rebecca Janes schenkten sich in puncto intensiver Rollenanverwandlung nichts und sorgten mit ihrer Interpretation der kaltblütig über Leichen gehenden Herrscherin der dunklen Mächte mehr als einmal für Gänsehaut-Effekt. Rebecca schlug mit ihrer betörenden Stimme nicht nur Alice in den Bann, und Paula stand sogar den ungeplanten Kollaps ihres Liegestuhls ohne mit der Wimper zu zucken durch. Cool!
„Cool" spielte sich auch eine eigentlich als Nebenrolle konzipierte Figur ganz weit in den Vordergrund. Lucas Reutemann aus der achten Jahrgangsstufe beherrschte die Klaviatur der theatralen Show auf seinem Podest fast schon wie ein alter Bühnenprofi und heimste mit der virtuosen und selbstironischen Überzeichnung der Goggelmoggel-Rolle mehrfach Szenenapplaus ein. Oscar für die beste Nebenrolle!
Gegen den Strich bürsteten die beiden Margos ihre Rollen und eröffneten damit auch für den Regisseur ungeahnte Perspektiven. Eigentlich war die Anführerin der Katzen als ein eher wildes und unberechenbares Wesen angelegt, doch Stamatia Galanis und vor allem die graziöse Erstbesetzung Nathalie Wimmer spielten sich mit Anmut und einem Hauch von Melancholie in die Herzen der Zuschauer und setzten damit völlig neue Akzente. An-Mutig!
Mit selbst-parodierendem Spiel und ausgefeilter Gestik, Mimik und Choreographie brachten die beiden Besetzungen des Zwillingspärchens Zwiddeldum und Zwiddeldei (Felicia Haug/Melissa Sichler bzw. Millaray Alt/Alessia Goth) ihre Rollen (zum Teil in Eigenregie!) voll auf den Punkt und setzten damit erfolgreich auflockernd-komische Akzente im Stück. Hervorzuheben sind hier zudem der allgäuerische Sprach-Charme von Melissa :) und die Spielleistung der Sechstklässlerin (!) Millaray.
Besondere Erwähnung unter den vielen tollen Spielleistungen aller Akteure verdienen auch die beiden Weißen Königinnen Clara Authried bzw. Judith de Vries mit ihrer natürlichen Eleganz und Anmut, die zusammen mit den Elfen und ihren Anführerinnen (Tabea Tandler/Nastassja Liebsch, die auch als Alices Schwester Edith brillierten) einen Hauch von echtem Wunderland-Feeling auf die Bühne zauberten, die vier Alices in beiden Besetzungen mit überzeugenden Tanz- und Gesangseinlagen (Irma Radocic/Carolina Hüttlinger, Nicole Specker/Lisa Zacharias, Selina Gehring/Felicia Haug, Hannah Lässer/Alina Kappeler), die beiden Bunnys (Bianca Specker/Lucia Zeitler) mit ihrer enigmatischen Hüpfchoreographie, der unerschrockene Knappe (Ben Marek), das scheue Reh (Maja Friedberger/Cimberly Lang), die Wachen und Fahnenträger (Carolina Hüttlinger, Maryniel Bohol, Stamatia Galanis), die Politessen (Nathalie Wimmer, Alina Kappeler, Alessia Goth, Annika Neubert) und natürlich die Auftritte der Spielgruppen – allen voran die kraftvoll agierende Schwarze Garde, dann die lieblichen Blumenmädchen und die kratzbürstigen und in der Hutmacher-Szene wundervoll entfesselt agierenden Katzen beider Besetzungen, die Passanten, Bäume, Gitterstäbe und Mauerteile. Sie alle zeigten in den Aufführungen (im Gegensatz zu vielen Proben vorher) Bühnenpräsenz und echte Spielfreude, wofür sie am Ende vom Publikum dann auch mit viel Applaus belohnt wurden.
Die eigens für die drei Aufführungen verfasste Dramatisierung beruht zum Teil auf der Alice-im-Wunderland-Vorlage, greift aber auch auf ausgewählte Szenen von „Alice hinter den Spiegeln" zurück, um eine Art Spannungsbogen zu kreieren und der Erwartungshaltung vor allem der jugendlichen Theaterbesucher gerecht zu werden. Ähnlich wie in der Disney-Verfilmung von 2010 ist unsere Alice bereits 16 Jahre alt, als sie von Bunny zum Kaninchenloch und damit zum zweiten Mal nach Wunderland gelockt wird. Und wie in der Hollywood-Version ist Wunderland für unsere Alice nicht nur ein Ort der Selbsterfahrung, sondern auch der Bewährung. „Wunderland gibt es bald nicht mehr, weil niemand mehr daran glaubt", erfährt Alice gleich nach ihrer Ankunft von den Weißen Rittern. Die Grinsekatze Margo eröffnet ihr wenig später, dass nur ein Menschenkind Wunderland aus dem Traum der Schwarzen Königin erretten kann – denn für die Menschen wurde Wunderland ersonnen. Der Traum der Schwarzen Königin Asgar steht für zwei Formen der Bedrohung: Einerseits für die Ausmerzung des ökonomisch nicht Verwertbaren und damit Nutzlosen und andererseits für die Reglementierung und die Gleichschaltung aller Lebensbereiche und Individuen. Ihre Instrumente dazu sind der blumenköpfende Bänderschnapp und vor allem der Plapperwock, der allein schon durch sein Getöse alles um ihn herum in Schrecken versetzt. Mit dem Auftreten des Plapperwocks in Form von einem Dutzend simsender, chattender und bloggender Schüler wird Wunderland mit unserer heutigen Welt im wahrsten Sinn vernetzt – hier wie dort geht die Bedrohung von einer Degeneration des Schöpferischen, Kreativen und Künstlerischen beispielsweise durch die Reduzierung auf den banalen Informationsaustausch in den sozialen Netzwerken aus.
Alice soll gegen das „Böse" in Form von Asgar und ihrer Gefolgschaft antreten und die Rettung für Wunderland bringen. Dieses Vorhaben ist wohl genauso utopisch wie der Entwurf von Wunderland selbst. Wie soll Lewis Carrolls tiefsinniges Kindermärchen mit seiner verspielten Sprachphilosophie im Zeitalter der beschleunigten Kommunikation und schwindender Lese- und Sprachkultur bei den Heranwachsenden überleben? Alice setzt auf die Kraft der Gedanken, der Worte, der Phantasie und der Musik – also auf das, was Wunderland und was letztlich auch die Kunst ausmacht. In unserem Stück vermochte sie damit die Schwarze Königin und ihren Traum zu besiegen. Das Publikum half dabei mit, indem es in das „Weiße Mantra" („Alles nicht von dieser Welt") einstimmte und so dazu beitrug, die zerstörerische Macht Asgars zu brechen und sie – hoffentlich für immer – in den Wald des Vergessens zu schicken.
Der schulische Rahmen ist für Vorbereitung und Aufführung von Stücken dieser Größenordnung immer schon eng gewesen, doch seit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums zu einem echten Hindernisparcours geworden. Die vollgestopften Nachmittagsstundenpläne in allen Jahrgangsstufen lassen kaum noch Schlupflöcher für jahrgangsstufenübergreifende Proben, so dass überwiegend auf Freitagnachmittage und Samstage ausgewichen werden musste. Lange war offen, ob unser opulentes Stück mit zweieinhalb Stunden Spielzeit annehmbare Formen annehmen würde, denn viele der 50 Aktiven waren nicht nur theatralisch ungeschult, sondern mussten auch die für das Theaterschaffen unerlässlichen Voraussetzungen wie Anwesenheitsdisziplin und Teamkompetenz erst lernen. Dass das Unternehmen schließlich doch noch gelang und zu einem erfolgreichen Abschluss geführt wurde, ist neben der Spielleistung der Schüler und Lehrer auch dem enormen Fleiß und zum allergrößten Teil ehrenamtlichen Engagement der vielen Helfer zu verdanken. Die wichtigsten seien im Folgenden genannt.
Für die Theaterregie (und nebenbei auch für die Projektleitung, Erstellung des Skripts u.v.a.m.) war Andreas Gross verantwortlich; er leitete auch das P-Seminar „Inszenierung einer Theateraufführung", dessen 14 Teilnehmer in vielfältiger Weise bei der Planung,Einstudierung und Umsetzung mithalfen. Die Intendanz in der von den Lehrern dominierten Teeparty-Szene hatte Susi Winkler (ehemals renommierte Kunst- und Theaterlehrerin am Gymi). Ernst Heckel (nebenbei auch für Technik und Beamerbilder zuständig) und Thomas Schmidt komponierten und texteten zwölf schmissige Songs für das Stück und übten sie mit den Solisten, Chorsängern und einer eigens für diese Aufführung ins Leben gerufenen Schüler- und Lehrerband (am Keyboard unsere geschätzte Dorothea Schweiger) ein. Erika Hauber choreographierte mit der Hilfe des oben schon erwähnten P-Seminars gewohnt souverän die Tänze, kümmerte sich um Kartenverkauf und die Verfilmung, während Fritz Hauber in das Fotoshooting und die Bearbeitung der Fotos viel Zeit investierte. Christine Gross nahm sich mit viel Liebe und Zeitaufwand um Kostüme und deren Anfertigung oder Beschaffung an, überwachte Kostümproben und übernahm das Schminken und Frisieren der Truppe fast im Alleingang. Maria Eggensberger schließlich war in der Aufführungswoche zusammen mit dem AK Catering für das leibliche Wohl der Zuschauer zuständig. Die Liste der ehrenamtlichen Helfer, Sponsoren und Gönner ließe sich noch weiter fortsetzen – doch aus Platzgründen sage ich ihnen wie auch den „hauptamtlich" Tätigen an dieser Stelle einfach nur ein herzliches Vergelt´s Gott – es hat Spaß gemacht, mit euch zusammenzuarbeiten! Möge sich das Theater am Gymnasium Sonthofen auch in den nächsten 40 Jahren gegen Asgars Macht behaupten!
Proben-Trailer
Bericht in der Allgäuer Zeitung
Mit freundlicher Genehmigung der Allgäuer Zeitung
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Fotogalerie mit Bildern von Fritz Hauber