Aula wird zum Bootcamp
„Achtung! Still gestanden! Mund halten und 100 Kniebeugen!“ So begann das Stück der Theatergruppe der 9. – 12. Klassen des Gymnasiums Sonthofen am 28. und 29. März in der neuen Aula des Fachtrakts und machte gleich von Anfang an klar, dass an diesem Ort eine klare Befehlsstruktur und ein rauer Ton herrschten. Der durch Maschendraht und Gitter umzäunte Zuschauerraum und die rüden Zurechtweisungen durch die Wachposten („Sie da im blauen Pullover – lümmeln Sie sich gefälligst nicht so in Ihren Stuhl!“) sorgten zusätzlich dafür, dass die Anwesenden einen authentischen Eindruck von der Atmosphäre und dem unbarmherzigen Drill eines amerikanischen Erziehungslagers für jugendliche Straftäterinnen bekamen.
Das Stück nach der Vorlage des Jugendbuchautors Andreas Galk stellt an einem wahren Fall dar, wohin physische und psychische Gewaltanwendung als Erziehungsmaßnahme führen kann. Die sechs jugendlichen Straftäterinnen sind dem brutalen Regiment der Lagerleitung, die vor keiner noch so schikanösen Behandlung zurückschreckt, hilflos ausgeliefert. So werden die minderjährigen Mädchen von den sich zum Teil sadistisch gebärdenden Aufseherinnen zur Bestrafung nicht nur in Dunkel- und Isolierhaft gesteckt, sondern auch einer brutalen Elektroschockbehandlung auf dem „heißen Stuhl“ unterzogen. Die von der Gefängnisseelsorgerin mit ironischem Pathos zwischen den Szenen vorgetragenen Camp-Regeln („Erst wenn wir deinen Willen gebrochen haben, bist du frei“) machen auf unmissverständliche Art klar, wohin diese Art der Erziehung führen soll: zur bedingungslosen Unterordnung und zur Aufgabe jedes eigenverantwortlichen Handelns. Es ist absehbar, dass diese Zwangspädagogik nicht greift und stattdessen zunächst innerhalb der Mädchengruppe Spannungen auslöst, um dann unkontrollierbar zu werden und sich nach außen zu richten. Das Ganze endet schließlich in einer verhängnisvollen Eskalation der Gewalt mit zwei Todesopfern.
Die zehn Schauspielerinnen der Theatergruppe unter der Leitung von Andreas Gross spielten authentisch, einfühlsam und mitreißend und bekamen für ihre Darbietung vom zahlreich erschienenen Publikum viel Applaus. Zum Gelingen des Ganzen trugen natürlich auch das bewährte Technikteam unter der Leitung von Ernst Heckel und die Catering-Truppe der SMV bei. Besonderen Anklang fanden das von der Kunst-AG unter Felix Lampadius entworfene Bühnenbild und die effektvolle „Rauminstallation“. Wir danken den Kunsterziehern für die Bereitschaft zu einer wegweisenden Zusammenarbeit und hoffen, dass sich auch im nächsten Jahr noch genügend Darsteller im Oberstufentheater finden werden, um weitere Projekte und kulturelle Hilights dieser Art am Gymnasium zu ermöglichen.
Bildergalerie von Felix Lampadius